Der Einfluss deutscher Krautrock-Bands auf die internationale Rockszene

In den späten 1960er und frühen 1970er Jahren formierte sich in Deutschland eine Musikbewegung, die bald als „Krautrock“ internationale Bekanntheit erlangen sollte. Bands wie Neu!, Can, Kraftwerk, Faust und Amon Düül II sprengten die Konventionen des traditionellen Rock und entwickelten einen experimentellen, oft hypnotischen Sound. Dieser neue Klang prägte nicht nur die deutsche Musiklandschaft, sondern beeinflusste auch zahlreiche Künstler und Genres weltweit. Krautrock war mehr als nur Musik; er war Ausdruck eines neuen Lebensgefühls, ein Aufbruch aus der Enge der Nachkriegszeit und die Suche nach einer neuen kulturellen Identität in Deutschland.

Was ist Krautrock?

Obwohl der Begriff „Krautrock“ ursprünglich von der britischen Musikpresse geprägt wurde und von einigen Musikern als abwertend empfunden wurde, hat er sich als Sammelbezeichnung für eine Reihe deutscher Bands etabliert, die sich durch einen experimentellen und innovativen Ansatz auszeichneten. Krautrock ist weniger ein klar definiertes Genre als vielmehr eine musikalische Bewegung, die eine große Bandbreite an Stilen umfasste – von psychedelischen Klanglandschaften über minimalistische, repetitive Rhythmen bis hin zu elektronischen Experimenten. Was diese Bands vereinte, war der Wille, sich von angloamerikanischen Vorbildern zu lösen und einen eigenen, unverwechselbaren deutschen Sound zu entwickeln. Viele der Bands wurden durch den renommierten Produzenten Conny Plank unterstützt, welcher einen erheblichen Einfluss auf ihren Sound hatte.

Neu! und der „Motorik“-Beat

Ein charakteristisches Element des Krautrocks, das besonders mit der Band Neu! assoziiert wird, ist der sogenannte „Motorik“-Beat. Dieser treibende, minimalistische 4/4-Takt, von Klaus Dinger, dem Schlagzeuger von Neu!, auch als „Apache Beat“ bezeichnet, erzeugt eine hypnotische Wirkung. Michael Rother, Gitarrist von Neu!, ließ sich dabei, wie er in einem Interview mit The Quietus verriet, vom Fußball inspirieren – vom schnellen, dynamischen Spielgeschehen. Ein herausragendes Beispiel für den Motorik-Beat ist der Song „Hallogallo“ vom Debütalbum „Neu!“. Hier zeigt sich auch die innovative Verwendung von Overdubs, also der Technik, bei der mehrere Tonspuren übereinandergelegt werden, um einen vielschichtigen, dichten Klang zu erzeugen.

Michael Rothers musikalischer Einfluss

Michael Rother, der nicht nur bei Neu!, sondern auch bei Harmonia und kurzzeitig bei Kraftwerk mitwirkte, ist eine Schlüsselfigur des Krautrock. Sein Gitarrenspiel zeichnete sich durch eine große Bandbreite aus – von sphärischen, fast meditativen Klängen bis hin zu intensiven, verzerrten Texturen. In der Band Harmonia, die er zusammen mit Dieter Moebius und Hans-Joachim Roedelius von Cluster gründete, verschmolz Rothers Gitarrenarbeit mit den elektronischen Klängen seiner Mitmusiker zu einer einzigartigen, kosmischen Klangwelt. Wie in einem Artikel in The Stranger beschrieben wurde.

Kraftwerk: Pioniere der elektronischen Musik

Die Band Kraftwerk, 1970 von Ralf Hütter und Florian Schneider gegründet, nahm eine Sonderstellung innerhalb der Krautrock-Szene ein und entwickelte sich zu einer der einflussreichsten Bands der elektronischen Musik. Ihr Album „Autobahn“ aus dem Jahr 1974 markierte ihren internationalen Durchbruch. Der gleichnamige Titelsong, ein 22-minütiges Epos, kombinierte elektronische Klänge, den Motorik-Beat und sogar Aufnahmen von Autobahngeräuschen zu einem innovativen Klangerlebnis. „Autobahn“ gilt als Meilenstein der Popmusik und hatte großen Einfluss auf die Entwicklung von Genres wie Synth-Pop und Techno. Interessanterweise fand Kraftwerks Musik, wie The Quietus berichtet, besonders in afroamerikanischen Communities in Städten wie Detroit und Chicago großen Anklang, was die genreübergreifende und transkulturelle Wirkung des Krautrock unterstreicht.

Internationaler Einfluss von Kraftwerk

Der Einfluss von Kraftwerk auf die elektronische Musik und darüber hinaus ist immens. Zahlreiche frühe Techno- und Hip-Hop-Produktionen basieren auf Samples von Kraftwerk-Songs. Ein bekanntes Beispiel ist die Verwendung von Elementen aus „Metal On Metal“ in frühen Breakdance- und Hip-Hop-Stücken in New York.

Can: Experimentelle Klangforschung aus Köln

Auch die Kölner Band Can, die 1968 gegründet wurde, zählt zu den wichtigsten Vertretern des Krautrock. Die Bandmitglieder, darunter Irmin Schmidt und Holger Czukay, die beide bei dem berühmten Komponisten Karlheinz Stockhausen studiert hatten, verbanden Elemente aus Jazz, Rock, klassischer Musik und Neuer Musik zu einem einzigartigen, experimentellen Sound. Can distanzierte sich bewusst von angloamerikanischen Vorbildern und suchte nach neuen musikalischen Ausdrucksformen.

Internationale Anerkennung und Einfluss

Can erlangte früh internationale Anerkennung, insbesondere in England und Frankreich, wie Deutschlandfunk Kultur berichtet. Oftmals wurde die Band im Ausland stärker wahrgenommen und geschätzt als in ihrer Heimat. Ihr Einfluss auf die internationale Musikszene ist bis heute spürbar. So sampelte beispielsweise der US-amerikanische Rapper Kanye West den Can-Song „Sing Swang Song“. Cans experimentierfreudiger Ansatz und ihre Offenheit für verschiedene musikalische Einflüsse machten sie zu Vorbildern für zahlreiche Musiker weltweit, darunter bekannte Namen wie David Bowie, Talking Heads und The Fall.

Krautrock: Mehr als Musik

Der Einfluss des Krautrock beschränkte sich nicht nur auf die Musik. Auch die visuelle Ästhetik der Bewegung, die sich in Plattencovern, Konzertplakaten und Bühnenshows manifestierte, war prägend. Oftmals gestalteten die Künstler ihre Plakate selbst, was ihnen eine besondere Authentizität verlieh. Eine Ausstellung im Bröhan Museum, die auf dessen Website dokumentiert ist, beleuchtete diese visuelle Kultur des Krautrock anhand von Konzertplakaten. Diese Plakate sind nicht nur Kunstwerke, sondern auch wichtige Zeitdokumente, die den Einfluss des Krautrock auf die Populärkultur veranschaulichen. Wie Krautrock in der internationalen Musikpresse wahrgenommen und rezipiert wurde, ist ein weiterer wichtiger Aspekt seiner Geschichte. Das Kapitel „Krautrock in the British and American Music Press“ aus „The Cambridge Companion to Krautrock“, siehe Cambridge Core, untersucht dies detailliert.

Das Vermächtnis des Krautrock

Das Erbe des Krautrock wirkt bis in die Gegenwart fort. Bands wie Neu!, Can und Kraftwerk haben mit ihrer Innovationskraft und ihrem Mut zum Experiment die Musikwelt nachhaltig verändert. Sie inspirierten zahlreiche Künstler, darunter David Bowie, der Neu! große Wertschätzung entgegenbrachte, Brian Eno, der mit Harmonia zusammenarbeitete, sowie John Lydon (Sex Pistols), The Fall, Radiohead und Björk. Auch in Genres wie Post-Punk (der Motorik-Beat von Neu! ist hier oft zu hören), Techno (die elektronischen Experimente von Kraftwerk legten den Grundstein), Alternative Rock und Hip-Hop ist der Einfluss des Krautrock deutlich zu spüren. Michael Rother, Mitgründer von Neu!, beschrieb es gegenüber der BBC treffend: Es war die „mangelnde Bescheidenheit“ und der „Wille, anders zu sein“, die den Krautrock auszeichneten. Diese kompromisslose Haltung und die Bereitschaft, musikalische Grenzen zu überschreiten, machen das Vermächtnis des Krautrock aus. Er hat nicht nur die Musiklandschaft revolutioniert, sondern auch dazu beigetragen, dass sich Deutschland durch kulturelle Innovation neu definieren konnte.